Die Würde des Menschen
… ist unantastbar. So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Grundgesetz.
Unmittelbar, damit es keiner übersieht, überliest, überhört, übergeht, in Artikel eins.
Wie steht es jedoch mit der Würde des Menschen in der heutigen Arbeitswelt?
Darüber entbrannte heute in meiner Wohnküche eine Diskussion zwischen jung und alt.
Zum Disput geriet uns die Frage: Was ist Menschen-Würde? Wie weit ist das, was wir heute im beruflichen Kontext erleben, noch dem Menschen würdevoll?
Was ist das Kennzeichen einer Arbeitsumgebung, eines Arbeitgebers, von Arbeitsbedingungen, unternehmerischen Rahmenbedingungen, die würdevoll mit ihren Menschen umgehen?
ODER ist "Würde" die falsche Begrifflichkeit?
Kann man im Arbeits-Kontext, im Kontext von Wirtschaften und Arbeiten nicht [mehr] von [Menschen]Würde sprechen? Was wäre der treffendere Begriff?
In unserer Freundeskreis-Diskussion war schnell klar, dass dieser Begriff "sehr vage" und "ganz schwer zu greifen" ist. Dennoch beinhaltet der Begriff für uns auch eine Verpflichtung - auf den beruflichen Kontext bezogen: Die Pflicht menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Zwei Kernfragen trieben uns besonders um:
1. Achtet ein Arbeitgeber diese Menschenwürde [noch], wenn er die Arbeit so schlecht bezahlt, dass ein würdiges Leben ohne staatliche Unterstützung nicht mehr möglich ist?
2. Achtet ein Arbeitgeber diese Menschenwürde, wenn er es gestattet, dass die von ihm eingesetzten Führungskräfte fortlaufend "Grenzüberschreitungen" gegenüber "Schutzbefohlenen" begehen? Also gegenüber den Mitarbeitern, die unter ihrer Führungsobhut stehen?
Beim Kampf um das erstere gibt es landauf-landab eine breite Lobby, da es sich um ein greifbares, meßbares Thema handelt. Wir erleben es gerade im Ringen der Parteien und Politiker um die HartzIV-Sätze in Deutschland.
Was ist jedoch mit dem anderen Thema? Den Grenzüberschreitungen?
Den äußerlich wahrnehmbaren Grenzüberschreitungen? Ich möchte sie fast "objektive" [wahrnehmbare] Grenzüberschreitungen nennen. Dazu zählt für uns etwa der Zwang zur gemeinsamen Mittagspause im Kollegenkreis mit Chef verpflichtet zu werden. Oder jenem Gruppendruck ausgesetzt zu sein, wenn in einem Unternehmen, keiner vor 18 Uhr wagt, das Haus zu verlassen, alle jedoch bereits um 8 Uhr kommen, also der Zwang zu regelmäßigen Überstunden im Rahmen des Arbeitsrechts.
Was ist jedoch mit jenen Grenzüberschreitungen, die subversiv, unsichtbar, unter der Tischkante ablaufen? Vielleicht könnte man diese "subjektive" [wahrnehmbare] Grenzüberschreitungen nennen. Einige Beispiele, damit verständlich wird, was ich meine: Anrufe außerhalb der Dienstzeiten auf dem Handy oder am privaten Festnetzanschluss, weil noch dringend etwas zu klären ist. Private Anrufe vom Chef direkt oder von ihm dazu genötigten Kollegen bei Krankmeldungen, bereits in den ersten Tagen der Krankmeldung? Email-Bombardements in Form von Weiterleitung von Arbeitsaufträgen an die private E-Mail-Adresse (Facebook und Co machen es möglich, dass der Arbeitgeber auch die findet!) bei Krankheit, im Urlaub, auf Auslandsdienstreisen.
Ansetzen von Besprechungen und Meetings, abends nach 17 Uhr, nach einem bereits achtstündigen Arbeitstag. Wie steht es da um die Würde des Menschen? Insbesondere, wenn einem kranken Mitarbeiter vom Chef ein geschäftliches Telefonat im Krankenbett oder gar am Wochenende bei Krankheitsverlängerung aufgezwungen wird?
Sind solche subversiven oder subjektiven Genzüberschreitungen nicht erniedrigende, den Menschen entmündigende Handlungen? Die denjenigen Menschen, dem sie widerfahren, entwürdigen? Weil sie ihm das Recht auf Selbstbestimmtheit absprechen?
Einen sehr guten Satz fand ich dazu vorhin bei Karl Kraus, einem [manche ahnen es] österreichischen Schriftsteller und Sprachkritiker des frühen 20. Jahrhunderts: "Würde ist die konditionale Form von dem, was jemand ist."
Doch was ist im Kontext der heutigen Arbeitsumwelt "WÜRDE"? Menschenwürde?
Steht der Führungskraft, dem Vorgesetzten, dem Chef ein "Mehr" an Würde zu? Darf er sich aufgrund seiner "höheren" Standes-Würde (weil er eben als vor-geschaltete Führungskraft eingesetzt ist) ein MEHR an Handlungen gegenüber einem anderen Menschen herausnehmen?
Und falls JA; wo findet dieses "Mehr" seine Grenzen (außer in arbeitsrechtlichen Gesetzen)?
Oder ist es eher eine ethische Frage? Eine Frage des Anstands, der eigenen Kinderstube, ob Chefs die Würde ihrer Mitarbeiter achten?
Gibt es nicht eine Verantwortungs-Würde? Woraus leitet sie sich ab?
Fragen über Fragen zur "Würde des Menschen" im Arbeitskontext, die ich einfach mal über mein Block weitergebe.
Ich freue mich hierzu über Ihre Kommentare, liebe Leserinnen und Leser!
...auch über anonyme, wenn es ernsthafte sind...
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Unmittelbar, damit es keiner übersieht, überliest, überhört, übergeht, in Artikel eins.
Wie steht es jedoch mit der Würde des Menschen in der heutigen Arbeitswelt?
Darüber entbrannte heute in meiner Wohnküche eine Diskussion zwischen jung und alt.
Zum Disput geriet uns die Frage: Was ist Menschen-Würde? Wie weit ist das, was wir heute im beruflichen Kontext erleben, noch dem Menschen würdevoll?
Was ist das Kennzeichen einer Arbeitsumgebung, eines Arbeitgebers, von Arbeitsbedingungen, unternehmerischen Rahmenbedingungen, die würdevoll mit ihren Menschen umgehen?
ODER ist "Würde" die falsche Begrifflichkeit?
Kann man im Arbeits-Kontext, im Kontext von Wirtschaften und Arbeiten nicht [mehr] von [Menschen]Würde sprechen? Was wäre der treffendere Begriff?
In unserer Freundeskreis-Diskussion war schnell klar, dass dieser Begriff "sehr vage" und "ganz schwer zu greifen" ist. Dennoch beinhaltet der Begriff für uns auch eine Verpflichtung - auf den beruflichen Kontext bezogen: Die Pflicht menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Zwei Kernfragen trieben uns besonders um:
1. Achtet ein Arbeitgeber diese Menschenwürde [noch], wenn er die Arbeit so schlecht bezahlt, dass ein würdiges Leben ohne staatliche Unterstützung nicht mehr möglich ist?
2. Achtet ein Arbeitgeber diese Menschenwürde, wenn er es gestattet, dass die von ihm eingesetzten Führungskräfte fortlaufend "Grenzüberschreitungen" gegenüber "Schutzbefohlenen" begehen? Also gegenüber den Mitarbeitern, die unter ihrer Führungsobhut stehen?
Beim Kampf um das erstere gibt es landauf-landab eine breite Lobby, da es sich um ein greifbares, meßbares Thema handelt. Wir erleben es gerade im Ringen der Parteien und Politiker um die HartzIV-Sätze in Deutschland.
Was ist jedoch mit dem anderen Thema? Den Grenzüberschreitungen?
Den äußerlich wahrnehmbaren Grenzüberschreitungen? Ich möchte sie fast "objektive" [wahrnehmbare] Grenzüberschreitungen nennen. Dazu zählt für uns etwa der Zwang zur gemeinsamen Mittagspause im Kollegenkreis mit Chef verpflichtet zu werden. Oder jenem Gruppendruck ausgesetzt zu sein, wenn in einem Unternehmen, keiner vor 18 Uhr wagt, das Haus zu verlassen, alle jedoch bereits um 8 Uhr kommen, also der Zwang zu regelmäßigen Überstunden im Rahmen des Arbeitsrechts.
Was ist jedoch mit jenen Grenzüberschreitungen, die subversiv, unsichtbar, unter der Tischkante ablaufen? Vielleicht könnte man diese "subjektive" [wahrnehmbare] Grenzüberschreitungen nennen. Einige Beispiele, damit verständlich wird, was ich meine: Anrufe außerhalb der Dienstzeiten auf dem Handy oder am privaten Festnetzanschluss, weil noch dringend etwas zu klären ist. Private Anrufe vom Chef direkt oder von ihm dazu genötigten Kollegen bei Krankmeldungen, bereits in den ersten Tagen der Krankmeldung? Email-Bombardements in Form von Weiterleitung von Arbeitsaufträgen an die private E-Mail-Adresse (Facebook und Co machen es möglich, dass der Arbeitgeber auch die findet!) bei Krankheit, im Urlaub, auf Auslandsdienstreisen.
Ansetzen von Besprechungen und Meetings, abends nach 17 Uhr, nach einem bereits achtstündigen Arbeitstag. Wie steht es da um die Würde des Menschen? Insbesondere, wenn einem kranken Mitarbeiter vom Chef ein geschäftliches Telefonat im Krankenbett oder gar am Wochenende bei Krankheitsverlängerung aufgezwungen wird?
Sind solche subversiven oder subjektiven Genzüberschreitungen nicht erniedrigende, den Menschen entmündigende Handlungen? Die denjenigen Menschen, dem sie widerfahren, entwürdigen? Weil sie ihm das Recht auf Selbstbestimmtheit absprechen?
Einen sehr guten Satz fand ich dazu vorhin bei Karl Kraus, einem [manche ahnen es] österreichischen Schriftsteller und Sprachkritiker des frühen 20. Jahrhunderts: "Würde ist die konditionale Form von dem, was jemand ist."
Doch was ist im Kontext der heutigen Arbeitsumwelt "WÜRDE"? Menschenwürde?
Steht der Führungskraft, dem Vorgesetzten, dem Chef ein "Mehr" an Würde zu? Darf er sich aufgrund seiner "höheren" Standes-Würde (weil er eben als vor-geschaltete Führungskraft eingesetzt ist) ein MEHR an Handlungen gegenüber einem anderen Menschen herausnehmen?
Und falls JA; wo findet dieses "Mehr" seine Grenzen (außer in arbeitsrechtlichen Gesetzen)?
Oder ist es eher eine ethische Frage? Eine Frage des Anstands, der eigenen Kinderstube, ob Chefs die Würde ihrer Mitarbeiter achten?
Gibt es nicht eine Verantwortungs-Würde? Woraus leitet sie sich ab?
Fragen über Fragen zur "Würde des Menschen" im Arbeitskontext, die ich einfach mal über mein Block weitergebe.
Ich freue mich hierzu über Ihre Kommentare, liebe Leserinnen und Leser!
...auch über anonyme, wenn es ernsthafte sind...
Teresa HzW - 15. Feb, 18:24 - Rubrik [Post]Moderne