Regierungs-Rede und Gegenrede bei Stuttgart 21

In seiner Regierungserklärung zeigte der Ministerpräsident die Zukunft und die Chancen für das Land durch Stuttgart 21 auf: Nachfolgend fasse ich einige Kernaussagen aus der 23-seitigen Rede zusammen oder zitiere daraus:
Der ICE auf der Strecke Stuttgart-Ulm fahre derzeit auf einer Trasse, die zwischen 1844 und 1850 errichtet wurde. Kann es sich Baden-Württemberg als modernes Land daher leisten, an einer Schlüsselstrecke des Landes eine Infrastruktur vorzuhalten, die rund 160 Jahre alt ist?

Mit Stuttgart 21 kann die Stadt moderne Urbanität gestalten - und zwar OHNE Flächenverbrauch:
Die frei werdenden Gleisflächen ermöglichen, dass Stuttgart im Zentrumskern wächst, z.B.:
· 50 Hektar werden für Wohnen und Arbeiten genutzt.
· Über die nächsten zwei Jahrzehnte entwickeln sich hier neue Quartiere zum Leben, zum Arbeiten und zum Wohnen.
· Es entstehen rund 20.000 Arbeitsplätze und 11.000 Wohnungen.

Ökologischer Wert:
Es geht bei Stuttgart 21 darum, Straßen- und Luftverkehr auf die Schiene zu bringen und damit die Umwelt zu schonen. Dazu bringt die Rede Frankreich und Japan als Beispiel: Die japanischen Schnellzüge bewältigen heute rund 30 Prozent des Fernverkehrsaufkommens in Japan.
Mit Stuttgart 21 und der ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm würden insgesamt pro Jahr über eine Milliarde Pkw-Kilometer vermieden und dadurch 175.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart.
30 Fußballfelder zusätzliche Parkanlagen erhalten die Stuttgarter mitten in der City.

Verkehrsanbindung
Baden-Württemberg wird zum Herzstück der europäischen West-Ost-Magistrale. Das Land wird Kreuzungspunkt der großen kontinentalen Entwicklungsachsen Rotterdam-Turin und Paris-Budapest.

Kosten
Stuttgart 21 kostet Baden-Württemberg über die gesamte Bauzeit weniger, als das Land in einem einzigen Jahr in den Länderfinanzausgleich bezahlt.

Würde Stuttgart 21 heute gestoppt, würde das Geld (weil es sich bei den S21-Mitteln um sog. gebundene Vekehrsmittel handelt) ab morgen anderswo in Deutschland verbaut, etwa
· für die Y-Trasse Hannover-Hamburg/Bremen - nach neuesten Berechnungen rund 4 Milliarden Euro.
· Oder für die Express-S-Bahn zum Münchner Flughafen, nach neuesten Berechnungen 3,5 Milliarden Euro.

Demokratische Legitimation
fast zwei Jahrzehnte der öffentlichen Debatte, der Begutachtung, der Planung, der
Planoptimierung, der Anhörungen, der Entscheidungen und Gerichtsurteile umfasst S21
146 mal war S21 Thema im Landtag
200 mal wurde im Stuttgarter Gemeinderat darüber öffentlich debattiert
11.500 Einsprüche von Bürgerinnen und Bürgern, von Verbänden und Institutionen wurden behandelt.
60 Alternativen wurden geprüft. Auch die wesentlichen Elemente einer K21-Variante sind dabei von Gerichten geprüft und verworfen worden.

Der Ministerpräsident warf folgende Fragen in seiner Erklärung auf: Was hieße es denn für unsere Gesellschaft, wenn plötzlich Verträge nicht mehr gälten, wenn Entscheidungen nach Stimmungslage getroffen und wieder revidiert würden, wenn der Rechtsstaat Rechtssicherheit nicht mehr garantieren würde? Was
wäre das für eine Republik? Wörtlich sagte er: "Versetzen wir uns für einen Augenblick in die Perspektive eines typischen badenwürttembergischen Häuslebauers: Nehmen wir an, er hat ein Grundstück mit einem Haus gekauft, das er umbauen will. Er hat einen Bauantrag gestellt, er hat die Finanzierung geklärt, seine Nachbarn, alle verantwortlichen Stellen und der Gemeinderat haben zugestimmt. Unser Bauherr hat den „roten Punkt“, und er gießt gerade das Fundament. Plötzlich wird vor der Baustelle demonstriert, gegen die
Form seines Hauses, schließlich sei das alte Haus ein Architekturwunder.
Die Demonstranten wenden sich dagegen, dass er Bäume auf seinem Grundstück fällen will, sie zweifeln seine Finanzierung an, sie verlangen von ihm einen sofortigen Baustopp und eine Bürgerbeteiligung in der Gemeinde. Der Bauherr fragt sich, wie viel seine Baugenehmigung wert ist, wie verlässlich und funktionsfähig die Institutionen und die Regeln unseres Rechtsstaats noch sind?
Die gleichen Fragen stellt sich auch ein Unternehmer, der eine Bau- und Betriebsgenehmigung für eine Werkserweiterung in den Händen hält. Die gleichen
Fragen stellt sich auch ein auswärtiger Unternehmer, der bei uns in Baden-Württemberg investieren und Arbeitsplätze schaffen will.
Die gleichen Fragen stellen sich die Franzosen, die für die gemeinsame europäische Magistrale in Vorleistung getreten sind und ihre TGV-Strecke bis Straßburg -
inklusive Bahnhofsumbau - ausgebaut haben.
Die gleichen Fragen stellen sich die Österreicher, die gerade umfangreiche Streckenbaumaßnahmen auf über 300 Kilometern für die europäische Magistrale
durchführen und aus dem Wiener Südbahnhof - einem Kopfbahnhof - den neuen Wiener Hauptbahnhof - einen Durchgangsbahnhof - machen.
Meine Damen und Herren, ich sage deshalb, Stuttgart 21 ist seriös geplant, politisch mit breiter Mehrheit entschieden, rechtlich geklärt und solide finanziert. Wir stehen bei den Projektpartnern und bei unseren europäischen Freunden im Wort. Ich stehe zur Vertragstreue. Ich stehe zum Mehrheitsprinzip. Ich stehe zur Rechtssicherheit. Deshalb steht die Landesregierung von Baden-Württemberg ohne Wenn und Aber zu Stuttgart 21."


Gern würde ich nun auf die Gegenrede von Winfried Kretschmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag hier verweisen und aus ihr zitieren, allerdings findet sie sich bisher noch nicht auf der Fraktions-Website. Daher sei hier ersatzweise auf die Kommentierungen der Landtags-Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Regierungserklärung verwiesen.

Die FDP-Landtagsfraktion bringt ihre Haltung zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten in einer aktuellen Pressemitteilung zum Ausdruck. Darin wirft sie SPD und Grünen vor, die Zukunft des Landes (Baden-Württemberg) aufs Spiel zu setzen.

Bei der SPD-Landtagsfraktion findet sich nichts Aktuelles zur Regierungsaussprache, die Fraktion hat jedoch in einer Presseerklärung ausführlich Stellung bezogen zur Verfassungswidrigkeit einer Volksabstimmung zum Bahnprojekt Stuttgart-Ulm. Die SPD weist dieses Regierungsgutachten zurück und will einen eigenen Antrag über eine Volksabstimmung Ende Oktober im Landtag einbringen und ihn mit neuen rechtlichen Gutachten stützen.

Mit dem heutigen Eintrag wollte ich aus aktuellem Anlass der Regierungserklärung die politische Seite des Großprojekts Stuttgart 21 beleuchten, damit mir nicht "Einseitigkeit" unterstellt wird ;-)
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